Mehr Demokratie wagen

 
Die Sozialdemokratie ist mehr als nur eine politische Idee. Sie ist für mich und unzählige Genossinnen und Genossen politische Heimat und Familie. Das historische Bewusstsein und die freundschaftliche Anrede mit DU verbindet uns mit SozialistInnen und SozialdemokratInnen rund um den Globus.
Spaß mit dem damaligen SPD Vorsitzenden Willy Brandt am Rande des SPD Parteitag 1986 in Nürnberg,V.li. Lissy Gröner,  Helga Pavlicek, Willy Brandt und Renate Schmidt .

"Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht"                            Otto Wels 1933

 

 

 

Gedenkveranstaltung

 

zum mutigen NEIN gegen Hitlers

Ermächtigungsgesetz

in Neustadt am 23. März 1983 mit

Josef Felder, Heinz Stöckel und Lissy Gröner

In der SPD fand ich Menschen, die den Nazi Terror nicht widerspruchslos hingenommen hatten. Es gab Vorbilder wie Willy Brandt, Käte Strobel und den Erlanger Bundestagsabgeordneten Josef Felder. In meinem Elternhaus in Langenfeld wurde viel "politisiert". Unsere Familie hatte mit den ersten Fernseher im Dorf. Ich erinnere mich an die Sendung Internationaler Frühschoppen mit Andreas Höfer und die ausgiebigen Diskussionen, die zuhause geführt wurden.


Mein Vater Fritz Kießling hatte  als Soldat den Staligrad Feldzug nur knapp überlebt und geriet in Kriegsgefangenschaft. Er hatte die bittere Lektion gelernt: Nationalismus treibt Europa in den Abgrund. Er hatte harte Jahre als Zwangsarbeiter in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Frankreich bei Clermont Ferrand zu überstehen. Nach Monaten der Feindseligkeit lernten beide Seiten  nicht mehr den Feind im gegenüber zu sehen - sondern die Person. Er verließ die Familie als Freund im Jahr 1949 und heiratete meine Mutter an Silvester des gleichen Jahres.


Nach seiner Heimkehr schloss er sich der Sozialdemokratie an und wurde schnell SPD Kreisvorsitzender. Auf einer Versammlungsreise von Josef Felder legte dieser bei uns zuhause eine Pause ein. Als Zweijährige kuschelte ich mich an ihn und hielt mit ihm ein Mittagsschläfchen. Später erzählte ich gerne die Anekdote : Josef war der erste  Mann, mit dem ich geschlafen habe ... In aller Unschuld!


Der junge Redakteur und Abgeordnete Felder hatte die drohende Machtübernahme Hitlers bekämpft und war bereits von den Nazis verhaftet gewesen, war aber wieder frei gekommen.
In der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion war hart um das richtige Vorgehen gegen Hitler und die Nationalsozialisten gerungen worden. Die bayrische Abgeordnete Toni Pfülpf kämpfte leidenschaftlich für ein klares Nein zum Ermächtigungsgesetz, als die Mehrheit zu kippen drohte. Am Ende der heißen Debatte stimmten am 23. März 1933 alle 94 verbliebenen SozialdemokraInnen geschlossen im Reichstag in Berlin gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz .
Die Sozialdemokratische Fraktion war durch ein Spalier brauner SA Uniformierter in den Plenarsaal gekommen. Viele linke Abgeordnete waren schon verhaftet. Otto Wels, der Fraktionsvorsitzende hielt seine historische Rede mit den Worten:
 
Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!
 

Die SozialistInnen hielten damit zwar Hitler und den Krieg nicht mehr auf. Sie konnten dadurch aber später nach dem Krieg ehrenhaft und ohne Bruch oder Neugründung mit vollem Programm und Namen ihre Arbeit  wieder aufnehmen.


Fast auf die Stunde genau  im März 1983 lebten die Ereignisse in Neustadt noch einmal auf.

Ich hatte im SPD Kreisverband eine Gedenkveranstaltung mit dem bereits 80jährigen Josef Felder organisiert. Im vollbesetzten Saal hätte man eine Stecknadel fallen hören können, als Josef Felder, der letzte lebende Reichstagsabgeordnete sein politisches Vermächtnis an uns weitergab: Demokratie braucht mutige Kämpferinnen und Kämpfer, die bereit sind für ihre Überzeugung notfalls das Leben zu geben.


Viele Genossinnen und Genossen lernte ich kennen, deren Freunde von den Nazi Schergen ermordet wurden. Ich traf Menschen, die selbst verfolgt, gequält und im KZ als "Vaterlandsverräter" inhaftiert waren. Ihr Opfer wurde für mich zum Auftrag.

 

Ich widmete mich intensiv der Geschichte der Arbeiterbewegung und entdeckte auch hier wieder die verdeckte, und von Geschichtsschreibern unterschlagene Rolle der Frauen.

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