13. August 2014

Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört. 1989 Willy Brandt - 25 Jahre

Bild: Foto: Lissy Gröner , Willy Brandt, Frieden, SPD

Unmittelbar nach dem Mauerfall wurde die SPE Fraktion zu einer ausserordentlichen Sitzung nach Berlin einberufen.Wir wollten Fakten schaffen, die die Entscheidungen der DDR Regierung zur Öffnung des eisernen Vorhangs irreversibel machten. Von dem damaligen Generalsekretär der UdSSR Michail Gorbatschow kamen Zeichen, dass Russland nicht in den Demokratisierungsprozess der DDR eingreifen werde, sicher war das aber nicht.

Unsere SPE Fraktion im EP wollte mit einer schnellen Präsenz in der noch geteilten Stadt ein Zeichen setzen: kein Weg führt zurück in den Kalten Krieg!

Unklar war zunächst auch, wie die Westalliierten auf die neue Situation im östlichen Europa reagieren würden.

Im Oktober 1989 feierte die DDR das vierzigjährige Staatsjubiläum. Der Ehrengast Michail Gorbatschow warnte dabei seinen Gastgeber Erich Honecker bereits, geopolitische Veränderungen nicht zu übersehen: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."

Die Montagsdemonstrationen in Leipzig waren zu einer Massenveranstaltung angewachsen und skandierten lautstark: "Wir sind das Volk!". Während die Demonstranten anfangs politische Reformen in der DDR verlangten, wurden nun auch Rufe nach einer Wiedervereinigung Deutschlands laut "Wir sind ein Volk!".

Dann überschlugen sich die Ereignisse:

Am 9. November 1989 gegen 19 Uhr beantwortet das SED-Politbüromitglied Günter Schabowski in einer live übertragenen Pressekonferenz Journalistenfragen. Er verlas überraschend Teile eines Beschlusses des DDR-Ministerrats: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Voraussetzungen beantragt werden. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD erfolgen". Auf entsprechende Nachfragen meinte er: "Das tritt nach meiner Kenntnis …ist das ... unverzüglich!"

Die Menschen drängten sofort zu den Grenzübergängen und wollten das selbst erleben. Am späten Abend hatten sich bereits mehrere Tausend Leute am Check Point Charly eingefunden - ebenso an den anderen Grenzstationen. Mittlerweile drängten auch von Westen die Menschenmassen zu Mauer. Gegen Mitternacht wurden alle Grenzstationen geöffnet, Am Brandenburger Tor kletterten Menschen von beiden Seiten auf die Mauerkrone und begannen mit Werkzeugen Stücke aus der Mauer herauszubrechen. Später habe ich auch einen gesprayten Mauerbrocken als Souvenir erworben. Das erste mal hatte ich als Schülerin bei unserer Abschlussfahrt an der Aussichtsstelle an der Bernauer Straße über die Mauer in den Osten geblickt. Jetzt brach diese Mauer unter dem Jubel der Menschen in Bruchstücken zusammen.

Willy Brandt, der Friedensnobelpreisträger und Ehrenvorsitzende unserer Fraktion reiste unverzüglich nach Berlin und prägte in seiner Rede vor dem Schöneberger Rathaus die vielzitierten Worte :

"Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört! "

Vermutlich weiß jeder Deutsche und jede Deutsche eine persönliche Erinnerung über die Ereignisse um den Mauerfall zu erzählen.

Ich erinnere mich genau an den Abend, als die Mauer durchlässig wurde. Wir tagten den ganzen Tag bei verschiedene Fraktionssitzungen in Brüssel. Meistens trafen wir uns in unserer WG nach den Abendterminen, vor dem Fernseher um die Tagesthemen zu sehen. Wir trauten unseren Ohren und Augen kaum, als wir die Sondermeldungen aus Berlin hörten und sahen, dass immer mehr Menschen über die Grenzübergänge von der DDR zur Bundesrepublik drängten. Meine Berliner Kollegin Dagmar Roth-Behrend stand auch fassungslos vor der Mattscheibe. Mit Kopfschütteln stellte sie fest: "einmal wenn in Berlin richtig was los ist, bin ich nicht dabei ..." In den folgenden Wochen war die Entwicklung um Berlin und das neue Ost-West Verhältnis das beherrschende politische Thema. Schleichend hatte der Zerfall der Sowjetunion und des Ostblockes begonnen ...

Mit diesen Eindrücken reisten wir also zur Fraktionssitzung im Februar. Ich hatte eine Woche Heilfasten hinter mir. Eine regelrechte Euphorie erfasste mich beim Anflug auf den Flughafen Tegel durch den azurblauen Himmel. Die Stadt hatte in dem Jahrhundert schon so viel erlebt und jetzt ... dieses wahrhaft historische Ereignis des Mauerfalls ohne Blutvergießen!

Die Kolleginnen und Kollegen aus den elf anderen EU Ländern gratulierten uns zur friedlichen Revolution. Die Stimmung in der Bevölkerung war unbeschreiblich optimistisch. Wir selbst konnten kaum glauben, was sich vor unseren Augen abspielte. Die Stadt war plötzlich voller Trabis in den blass- lila-hellblau Matschfarben und begeisterten Menschen. Einkaufen wurde zur Geduldsprobe. Überall drängten sich die Landsleute, die Westwaren so lange entbehrt hatten. Ihr Begrüßungsgeld entpuppte sich als ein riesiges Konjunktur Programm für den Westen.

Die Mauer in der noch getrennten Stadt war durchlässig geworden. Das Rad der Zeit lies sich letztendlich auch durch die Zurückhaltung von Gorbatschow und die Unterstützung der westlichen Partner nicht mehr zurückdrehen.

WIEDERVEREINIGUNG 3. OKTOBER 1990

Noch vor Jahresfrist trat mit dem 2 + 4 Vertrag (DDR und Bundesrepublik + die vier Alliierten Siegermächte) mit Wirkung vom 3.Oktober 1990 die staatliche Wiedervereinigung Deutschlands in Kraft.

Bis Pfingsten im darauffolgenden Jahr hatten wir im EP rund 400 Gesetze, also Verordnungen und Richtlinien, in den Europäischen Gesetzes Kontext Acquis communautaire einzuarbeiten. Nur mit großer Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen aus allen 12 Mitgliedsländern gelang dieses Verfahren - weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit - aber enormer Wirkung vor allen für die neuen deutschen Bundesländer.

Und wieder war ich am Puls der Zeit.

Nichts ist mächtiger, als die Idee, deren Zeit gekommen ist ...